Herforder Chronik (1910)/458

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Herforder Chronik (1910)
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Anno 1765
Hat dieses Portrait unsers theuersten
MONARCHEN ein Löbl. Cramer-Amt
auf die Kahl Stube geschenket.
Joh: Henr: Johanning P.T. dechen
Joh: Arend: Meyer P.T. dechen
Lud: Henr: Baden P.T. Worthalter
den 8. März.

Zur Erklärung der Inschrift diene, daß das Krameramt die Vereinigung der größeren Kaufleute war; die Kleinhändler hießen Höcker. Ihrer hervorragenden sozialen und kommerziellen Stellung entsprechend, besaß die Kaufmannschaft das stattlichste der Amtshäuser, von denen sich nur noch das der Leineweberzunft und das der Brauergilde (s. unten), nachweisen läßt.

Das Kramer-Amthaus ist der heutige Gasthof zur Krone, vordem zum Stern, in der Brüderstraße. Die Vorderseite ist erheblich verändert, doch prangt noch heut über der Eingangstür, die vor dem Umbau ein schönes Portal war, ein Steinwappen mit einer weiblichen Figur, die in der Rechten ein entblößtes Schwert, in der Linken eine Wage hält. Die Umschrift kennzeichnet das Haus als Kramer-Amthaus, die Jahreszahl 1658 gibt das Jahr seiner Erbauung, oder, was wir lieber annehmen möchten, seiner Wiederherstellung nach dem dreißigjährigen Kriege an, der an ihm nicht spurlos vorübergegangen sein mochte. Der hohe, jetzt erniedrigte Giebel barg die Lagerräume; zu ihnen zog die an der Seite des Hauses noch sichtbare Winde die Waren empor. Im Hintergrunde des Hausflurs, der „Deele“, legten sich zwei übereinanderliegende Säle vor, beide geräumig, aber nach der Bauart jener Zeit recht niedrig. Aus dem unteren Saale gelangte man in den Hof und zu den Ställen; den oberen, mehr abgeschlossenen Saal halten wir für die Kahlstube. Sie war der Raum, wo die Kaufleute ihre geschäftlichen Unterredungen abhielten, auch wohl die politische Lage besprachen. Jene Bezeichnung Kahlstube hängt mit dem niederdeutschen „kalten“, das mit langem a zu sprechen, und worunter „sprechen, verhandeln“ zu verstehen ist, zusammen. Die angelsächsische Sprache bewahrt das Wort in ihrem „to call“ mit ähnlicher Bedeutung.

Die Dechen (aus decani, d. i. Vorgesetzte, entstanden) waren die Ältesten und bildeten mit dem Worthalter, dem Vorsitzenden, den Vorstand der Kaufmannschaft. Sie waren für eine bestimmte Zeit gewählt, daher hinter ihrem Namen das P.T., d. i. pro tempore. Nach der Bürqerliste von 1757 wohnte der Dechen Johann Henrich Johanning am Neuen Markt, jetzt Grundmann, Dechen Meyer Lübberstr. 22, heut Schlachter Ellenbeck, der Worthalter Baden auf der Radewig in dem Hause der Wwe. Aug. Stedefeder.

Das Leineweber-Amthaus lag auf der Johannis-, früher Honstraße; es trägt heut die Gedenktafel für Geheimrat Wiese. Das Amthaus der Brauergilde war in der Bügelstraße, jetzt Drechslermeister Bellenbaum.