Herforder Chronik (1910)/456

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Herforder Chronik (1910)
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1762, 1763

einer durch den jahrelangen Krieg verrohten Soldateska vermehrt wurde, hatten einen dauernden Zustand unruhiger Spannung der Gemüter hervorgerufen. Man sah am hellen Tage Gespenster, erwartete jeden Augenblick Außergewöhnliches und glaubte willig die unmöglichsten Gerüchte. Es wuchs das Verlangen nach militärischem Schutz, und man ging des öfteren die nächste militärische Behörde, den Kommandanten v. Wurm in Minden, darum an. Er verfehlte nicht, sofort Streifpatrouillen zu schicken, welche die ganze Gegend von Minden bis Bielefeld abreiten mußten, verstand es aber auch auf andere Weise, die Gemüter zu beruhigen, wenn übertriebene oder falsche Nachrichten von Streifzügen beutesüchtiger Horden auftauchten.

Da trat am 15. November 1762 der Waffenstillstand der streitenden Parteien ein, und ihm folgte am 15. Februar 1763 der Abschluß des Friedens zu Hubertusburg im Königreich Sachsen.


Friedrichs II. Denkmäler in der Stadt.

Das über die Herforder in einer Reihe von Jahren in vollem Maße hereingebrochene Unglück hatte die Liebe und Verehrung für den Herrscher nicht beeinträchtigt. Als er nun nach manchen Mißerfolgen schließlich als Sieger aus dem so ungleichen Kampfe hervorging und seinem Staate die Großmachtstellung errungen hatte, flammte die Begeisterung für Friedrich den Großen, den Einzigen, hell auf, und als die Glocken von allen Türmen der Stadt verkündeten, daß Friede eingekehret sei, der Landmann wieder ungestört seine Felder bebauen, der Städter seinem Gewerbe nachgehen konnte, ohne jeden Augenblick gewärtigen zu müssen, daß feindliche Hände ihm das Seinige vernichteten oder entrissen, da stimmte jeder innig bewegt in das in allen Gotteshäusern erklingende Tedeum ein. Gleichwohl können wir uns recht gut vorstellen, wie auf der allgemeinen Freudenstimmung ein Dämpfer lastete; mancher war an den Bettelstab gekommen, manches Hauswesen lag zertrümmert am Boden, manches Familienglied war vor dem Feinde geblieben, und viele Angehörige hatte die eingeschleppte Seuche, die Ruhr[1], hinweggerafft.

Aber das Elend sollte ja nun ein Ende haben, und wenn man auch das Andenken an die erlebten Schrecknisse nicht bannen konnte, so wurde es doch besänftigt, als der König, nachdem er sich der ganzen Welt als einen der hervorragendsten Feldherren bewiesen hatte, nun in neuer Gestalt seinen Untertanen als treusorgender, weitblickender Landesvater vor Augen trat.

  1. Die Kirchenbücher der Herforder Gemeinden weisen zum Erschrecken große Zahlen der von dieser Seuche dahingerafften Menschen auf.