Bergisches Botenamt Gladbach/Einführung

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ZUR EINFÜHRUNG

Als Stadt in verfassungsrechtlichem Sinne ist Bergisch Gladbach sehr jung. Wahrscheinlich aber ließ der König bereits zur Merowingerzeit von Köln aus die ersten Lichtungen in seine großen rechtsrheinischen Wälder schlagen, die sich mit Königs-, Franken- und Buchenforst über Sand, Geröll und Sumpf in der Ebene, über die kalkigen Hänge und den Löß auf den Randhöhen dehnten. Wo die Eichen, Buchen, Erlen, Eschen, Weiden und Birken stöhnend sanken, da erstanden zu Paffrath und Gladbach im trockengelegten Bruch die ersten Fronhöfe des Königs, die er verdienten Gefolgsmännern zu Lehen gab. Seine Krönung erfuhr das große Kulturwerk der Franken dadurch, daß man den Bach, der aus dem Tale von Osten stürmisch hervorbrach und im Sumpf versank, vermutlich in zwei Bauabschnitten ein künstliches Bett durch die Rheinterrassen zum Rhein hin grub. Den Fronhöfen folgten schnell andere große Höfe, so zu Hebborn und Gronau, am Broich und auf dem Schlöm, in Katterbach, Strunden, Sand und Lückerath. Etliche der dort angesetzten Vasallen strebten zu ritterlichem Rang empor und bauten sich schon früh feste Burghäuser, wie etwa in Paffrath, Katterbach, Strunden, Dombach und Lerbach. Sie sind teils untergegangen, teils nach wechselvollen Schicksalen und mancherlei Um- und Neubauten und in den Geschlechterfolgen der Jahrhunderte den verschiedensten Adelsfamilien angehörend, auf unsere Zeit gekommen. Die Lehnsmänner auf den Fronhöfen überwachten den königlichen Besitz und übten ihrerseits wieder für ihren Herrn die Lehnsgewalt gegenüber allen späteren Siedlern aus, die Absplisse des Königsgutes für neue Rodungen und Hofbauten erhielten. Der König und seine Rechtsnachfolger blieben die Obereigentümer über alles Gut, das ein Lehnsverband zusammenhielt. Er unterstand einem besonderen Hofgericht, das mit dem Schultheißen und den Schöffen bei gebotenen und ungebotenen Dingen die alten Rechtsverhältnisse bei jeder Besitzveränderung und -Übertragung wahrte und das Recht aus dem Gedächtnis der Alten und später aus einem geschriebenen Weistum „schöpfte". So waren dem Fronhof in Gladbach 26, in Paffrath 28, dem Hof in Hebborn 17 und dem in Sand 9 Höfe bis zum Untergang des Lehnswesens im Jahre 1808 lehnrührig. Leider sind die Gladbacher Hofgerichtsprotokolle nur für die Jahre von 1582 bis 1618, die Paffrather von 1614 bis 1664 erhalten; die Weistümer besitzen wir nur von Paffrath und Hebborn. Der Paffrather Fronhof ist längst verschwunden, doch der Gladbacher stand noch mit einem Neubau vom Jahre 1734 als ehrwürdiger Zeuge der Vergangenheit bis 1960 mitten in der Stadt, und nur der Hebborner und der Sander Hof haben sich im alten Gefach in die Gegenwart retten können. Für seine Fronhöfe stiftete der König besondere Eigenkirchen, an denen er selbst die Priester bestellte. Die erste dürfte Paffrath gewesen sein, das demzufolge auch als Ur-pfarre des ganzen Raumes gelten kann. Doch auch Gladbach besaß bereits vor dem Jahre 1000 eine Kirche. In Sand bestand wohl schon vor 1300 eine kleine Kirche. Zu diesen drei ehrwürdigen Gotteshäusern trat kurz vor 1294 die Johanniterkommende in Herrenstrunden, deren Kirche auch bereits für 1345 sicher bezeugt ist. Längst hat sich in den politischen Verhältnissen des Gladbacher Raumes eine bedeutsame Wandlung vollzogen. Er gehörte in fränkischer Zeit zum Deutzgau, der sich nachher mit der Christianität oder dem alten Dekanat Deutz deckte. Mit ihm gingen die Kirchspiele Gladbach und Paffrath um 1100 bis 1500 — ob gleichzeitig oder getrennt, ist wohl nicht zu erweisen — an die Grafschaft Berg über. Sie bildeten seit der Trennung der kirchlichen von der staatlichen Verwaltung und dem Aufkommen der Landeseinteilung in Ämter (etwa 1350) gemeinsam ein Botenamt im Amte Bensberg, später meist Porz benannt, mit dem sie fortan alle Schicksale teilte. Die uralten Honschaften des Botenamtes leben noch heute mit Gladbach, Gronau, Unterpaffrath, Oberpaffrath (Kombüchen) und Sand in den Katastergemeinden fort. Dagegen ist ihr mittelalterlicher Gemeinschaftsbesitz in den Gemarken im vorigen Jahrhundert aufgelöst worden. Die von Düsseldorf (Benrath) und Schlebusch her mitten durch Paffrath und Gladbach führende Reuterstraße sah immerzu die herzoglichen Beamten und Boten, wie sie zu Tal und zu Berge ritten, ganz besonders, wenn Kriegsdrangsale das Land bedrückten. Gladbach und Paffrath trugen dann ihr gerüttelt Maß an Plünderungen, Feuersbrünsten, Kontributionen, an Mord und Verschleppung der Einwohner. Im Jahre 1416 sank Paffrath durch die erzbischöflichen Truppen in Schutt und Asche. Im Truchsessischen Kriege (1583—1587) wurden vor allem Gladbach und Herrenstrunden heimgesucht, im Dreißigjährigen Kriege (1632), in den Raubkriegen (1672), im Spanischen Erbfolgekrieg (1702), im Siebenjährigen Kriege (1757) und in den Kriegen nach der Französischen Revolution 1795/96) blieb wohl kein Hof im Gladbacher Raum verschont. Auch furchtbare Seuchen suchten das Volk zuzeiten heim, noch erinnert die Rochuskapelle bei Sand (1690) daran. Doch allen Wechselfällen zum Trotz erhielt sich der uralte Sippenbestand unverfälscht und mit großer Festigkeit. Mit den ersten Papiermachern, die im Jahre 1582 für Gladbach den Anbruch einer neuen Zeit bedeuteten, kam die reformierte Lehre an die Strunde. Schon für die Zeit von 1610—1621 ist eine Gemeinde Bensberg-Gladbach nachgewiesen. Im Jahre 1775 entstand die reformierte Gemeinde Gladbach-Dombach, die sich 1817 mit den lutherischen Einwohnern zur evangelischen Gemeinde Gladbach vereinigte. Unter geistig hochstehenden Pfarrern trug sie seitdem wesentlich zum kulturellen Leben der Stadt bei. Während der schweren Erschütterungen der napoleonischen Periode überschritt das bergische Botenamt Gladbach die Schwelle zum 19. Jahrhundert. Im Jahre 1806 kam es mit dem neuen Großherzogtum Berg unter die Herrschaft Joachim Murats, 1808 unmittelbar unter die Herrschaft Napoleons. Im Departement des Rheins, Arrondissement Mülheim und Kanton Bensberg bildete Gladbach nun eine Mairie mit einem Maire, dem Papierfabrikanten Hofrat Franz Heinrich Fauth, als Oberhaupt. Ihm standen ein Adjunkt und der Munizipalrat zur Seite. Seit 1810 mußten die Standesregister bei der Mairie geführt werden. Das Jahr 1813 machte dem französischen Spuk ein Ende. Der Generalgouverneur der verbündeten Befreier übernahm gegen Ende dieses Jahres Fauth als Bürgermeister der Gesamtgemeinde Gladbach, die 1814 zum Kreis Mülheim am Rhein, mit diesem 1815 zur Provinz Jülich-Berg im Großherzogtum Niederrhein und Königreich Preußen geschlagen wurde. 1822 wurde die Rheinprovinz gebildet 1*).

1*) Dieser Abschnitt aus: Anton Jux, Bergisch Gladbach im Wandel der Zeiten; in: „100 Jahre Stadt Bergisch Gladbach" (Bergisch Gladbach 1956).